Ein Cousin von mir, DEKRA-Ingenieur, Rennfahrer und Liebhaber von allem was 4 Räder hat, hatte mich mehrfach “vorgewarnt“ als ich ihm von meinem Interesse an russischen Militärfahrzeugen (UAZ, ZIL, URAL, GAZ, etc.) erzählt habe. Heute, viele Monate später, grinst er mich nur noch kopfschüttelnd an, wenn ich ihm von den Abenteuern erzähle, die ein “Couch-Potatoe“ wie ich, mit den Dingern erlebe.

Nach den spannenden Erlebnissen mit meinem UAZ 469, der dank Dr. Igors Hilfe wieder zum Leben erweckt wurde und unserer Kurzreise nach Kaliningrad, verstärkte sich mein Interesse an einem GAZ 66. Einige Wochen das Internet durchwühlt und bei meinen russischen Freunden Tipps eingeholt. Dann war klar, dass “mein“ zukünftiger Freizeitgefährte in Thüringen stand. Telefonische Verhandlungen mit dem sympathischen Verkäufer, hin- und her überlegt, auf Inzahlungnahme meines UAZ 469 geeinigt und die Fahrt nach Thüringen organisiert. Meinen UAZ auf den Transportanhänger auf- und meinen Freund Igor eingeladen ging es dann Samstag früh von Köln in Richtung Osten los. Die Wetterverhältnisse sollten eigentlich günstig sein, waren aber eher das Gegenteil.


Kurz nach Mittag kamen wir dann in Suhl an. Der erste Anblick von meinem zukünftigen Monster verursachte mir tatsächlich eine leichte Gänsehaut. V8-Motor mit 115 PS, Allrad, Geländeuntersetzung, Differentialsperre, ca. 5,6 Tonnen Leergewicht, großer Koffer mit Standheizung, Seilwinde, Reifendruckanlage und richtige (nagelneue) Monsterreifen! Wir inspizierten dieses urige, russische Eisenvehikel und Igor startete mit einer kurzen Probefahrt.



Nachdem die restliche Abwicklung (Papiere tauschen, Kaffee trinken und liebevoll zubereitete Schnittchen verdrücken) erledigt war, starteten wir in Richtung Heimat. Das Tageslicht hatte sich schon verabschiedet und wir erreichten zunächst einen Rasthof in Erfurt. Bis auf kleinere Beleuchtungsprobleme war nichts Ernsthaftes zu vermelden. Allerdings beunruhigte mich das Dauergrinsen in Igors Gesicht doch ein bisschen. Um der Ursache auf den Grund zu gehen, tauschten wir die Fahrzeuge. Igor im koreanischen SUV mit Anhänger vor mir und ich im GAZ 66 dahinter. Uff.... einfach nur geil. Das Brubbeln des 8 Zylinder Motors unmittelbar neben und unter sich zu spüren hat schon etwas. Autofahren pur!! Da nimmt man die etwas schwammige Lenkung und den hin und her zuckenden Zeiger des Tachos oder die niedlichen Spielzeugscheibenwischer gar nicht mehr richtig wahr.

Mit dem GAZ sind wir dann bis kurz vor das Kirchheimer Dreieck gekommen. Zwischendurch ging immer wieder der größte Teil der Beleuchtung aus. Wahrscheinlich Wackelkontakt an irgendeinem Kabel. Im Dunkeln ist das nur etwas blöde. Schlimmer war dann, dass die Wassertemperatur plötzlich stieg. Innerhalb von Sekunden ging die Warnleuchte an, Temperatur stieg auf fast 120 Grad. Sofort rechts auf den Seitenstreifen, überall weisser Qualm, Warnleuchte aus dem Pkw aufgestellt, Führerhaus nach vorne und Ursachenforschung betrieben. 2 Keilriemen waren abgesprungen. Die Welle der Wasserpumpe, auf der der Lüfter sitzt, wackelte in alle Richtungen, dadurch waren die Keilriemen abgesprungen und der Rest war klar. Ätzend nur, dass so etwas im Dunkeln, bei Minusgraden und bei starkem Schneefall auf der Autobahn passiert.

Also notdürftig die Keilriemen wieder drauf, Schnee getaut, den Kühler damit aufgefüllt und gaaaaaanz langsam (Tempo 20) auf dem Seitenstreifen die nächsten 6 km bis zur Abfahrt Hersfeld West geschlichen. Dort an die Shell-Tanke und den ganzen Schaden mal bei Licht betrachtet.



Der freundliche ADAC-Mann am Telefon erklärte mir zwischendurch, dass ich wohl besser einen MAN oder einen Mercedes hätte kaufen sollen, dann wäre die Ersatzteillieferung kein Problem (wie lustig). Bei einem russischen LKW könnte er nicht helfen. Er bot mir aber an den GAZ in eine Werkstatt zu schleppen. Kosten dafür je angefangene Stunde EUR 250,- (war wirklich ein echter Spaßvogel). Wir haben dann unseren Freund Jörg in Dortmund aus dem Bett geklingelt, der sich mit Ersatzteilen einer UAZ 469 Wasserpumpe auf den Weg zu uns machte. Völlig normal, dass jemand mitten in der Nacht ca. 500 km (Hin und Zurück) fährt oder??

Mittlerweile war es kurz vor 24.00 Uhr geworden. Dank der freundlichen Nachtschicht der Shell-Tankstelle konnten wir uns zwischendurch immer mal wieder mit Kaffee aufwärmen. Igor gönnte sich ein kurzes Nickerchen . Gegen 2.30 Uhr kam dann Jörg mit den Ersatzteilen an (noch mal vielen Dank!). Leider oder natürlich passt die UAZ-Wasserpumpe nicht auf einen GAZ 66. Also wurde sie "passend" gemacht. Igor ist halt ein Tausendsassa! Verbotenerweise wurde die Werkstatt der Shell-Tanke aufgeschlossen und wir konnten zumindest den Schraubstock benutzen. Die Temperaturen waren hier drin auch etwas angenehmer als unter dem abgeklappten Fahrerhaus des GAZ. Mit der Wärme des Motors war es nach 4 Stunden vorbei. Der junge Mann der Nachtschicht bat uns um ein Foto. Sein Vater würde Augen machen wenn er ihn in einem echten GAZ66 sehen würde. Kein Problem...


Dann versuchten wir, die Ersatzteile der UAZ-Wasserpumpe mit den defekten Teilen der GAZ-Pumpe auszutauschen, immer wieder ein- und ausgebaut, gefühlte 50 Mal, nur wenige Zentimeter zwischen dem Wasserkühler und der Pumpe Platz zum Schrauben. Immer wieder die Hände beim Schrauben an den Kühlerrippen “abgeschruppt“ (bei der Kälte spürt man den Schmerz glücklicherweise erst später). Immer wieder die Eisenfeile raus und weiter an der ausgetauschten Welle gefeilt. Igor und ich haben uns beim Feilen abgewechselt, damit sich der andere zwischendurch mal wieder aufwärmen konnte.




Um kurz nach 7.00 Uhr dämmerte es langsam... nicht uns, sondern das Tageslicht gewann die Oberhand. Wie schnell doch eine Nacht vorbei ist. Letzter Versuch, Welle eingebaut, Lüfter draufgeschraubt, Kühler mit Frostschutz aufgefüllt, Öl nachgefüllt (möchte das Gesicht des Tankstellenbesitzers nicht sehen, beim Anblick der großen Öllache, nachdem wir weg waren) und rauf auf die Autobahn in Richtung Heimat. Igor im GAZ 66 vor mir, ich kurz mein Weibchen angerufen (wurde nach 26 Stunden Abwesenheit ja auch Zeit) und in Kürze das Wichtigste erklärt. Dann ein Foto vom vor mir fahrenden Russentraum gemacht.



Wenige Minuten später fährt Igor rechts auf den Seitenstreifen und zuckt die Schultern. Nächster Parkplatz wurde im Schritt-Tempo angefahren, GAZ abgestellt und im Pkw nach Hause gefahren. Am Sonntagnachmittag, todmüde angekommen. Wie kann man nur so bekloppte Ideen haben...

Nachtrag, Montagmittag: Telefonat mit Igor geführt. Unser gemeinsamer Freund Ivan hat sich einen Tieflader geliehen und ist heute morgen mit ihm losgefahren um den GAZ, der kurz hinter Grünberg parkt, abzuholen. Wow... sind über 200 km hin und noch mal 200 km zurück. Habe ein schlechtes Gewissen.

Nachtrag, Montagnachmittag: Gerade einen Anruf von den zwei “Verrückten" bekommen (isch liiiiieeebe euch!) Haben den GAZ aufgeladen, alles o.k. nix eingebrochen, nix geklaut, sind in etwa 4 Stunden bei mir an der Halle. Ersatzteile haben die beiden auch schon in Russland geordert (diesmal die originalen), kommen im Laufe der nächsten Tage an. Dann geht’s weiter....

Vorerst letzter Nachtrag, Montagabend: GAZ 66 steht wohlbehalten in der Halle und wartet auf neue Abenteuer.....

Gruß
René

Erste Probefahrt war gar nicht so übel, stimmts Igor? Weia... sind bewußt durch die kleinen Ortsteile gefahren und nicht über die Autobahn, falls wir doch liegenbleiben.. man weiß ja nie. Aber hat alles geklappt. Vor allem die Blicke der Leute Die Jüngeren haben mit offenem Mund hinterhergeschaut und die Älteren eher skeptisch. Hatten vielleicht Erinnerungen an frühere Zeiten... Dieser Sound beim Anfahren an der Ampel.... höhöhö... Die größte Show war dann aber an der Tanke. Andere Kunden beäugten uns erstaunt, der Mechaniker kam aus der Werkstatt und der Tankwart schaute die ganze Zeit ungläubig auf die Zapfuhr. Als wir dann beim Stand von ca. EUR 150,- das Führerhaus nach vorne klappten, damit der Tankrüssel auch an den Tank auf der anderen Seite drankommt, fing er endlich an zu grinsen. Ich glaube, die haben nach uns die Tanke geschlossen. Die hatten den Tagesumsatz drin Also bis auf mein Portemonai haben sich an dem Tag alle amüsiert..

Jetzt bin ich erstmal auf unseren TÜV-Termin am Dienstag gespannt. Vollabnahme plus Oldtimer-Gutachten stehen an.... Wenn alles Gut geht, wird am Wochenende das Offroadgelände in Fürstenau unsicher gemacht

Gruß
René